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Bei den Abkürzungen ADHS und ADHD handelt es sich um unterschiedliche Bezeichnungen für ein und dieselbe Störung der neuronalen Entwicklung. Das Kürzel ADHS steht für Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung, im internationalen Gebrauch hingegen wird allgemein die Abkürzung ADHD für attention deficit hyperactivity disorder genutzt.

Die einzelnen Subtypen bzw. Präsentationsformen der Störung haben unterschiedliche Auswirkungen auf das Leben der Betroffenen und müssen deshalb bei einer Diagnose unbedingt berücksichtigt werden. ADHS wird als eine neurologische Störung aufgefasst, die sich im frühen Kindesalter (noch vor dem Schuleintritt) bemerkbar macht und maßgeblichen Einfluss auf soziale Interaktionen hat. Von der Störung sind doppelt so viele Jungen wie Mädchen betroffen. Experten gehen davon aus, dass die Genetik ebenso wie negative Erfahrungen in der Kindheit zu den Einflussfaktoren für ADHS gehören. Sowohl die ICD-10 als auch die DSM-5 führt eine Liste von Kriterien auf, die für die Störung charakteristisch sind.

Diagnostische Kriterien von ADHD und ADHS

  • DSM-5-Kriterien für ADHD: Das DSM (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders) ist ein psychiatrisches Klassifikationssystem aus den Vereinigten Staaten. Im DSM-5, der fünften Auflage des Manuals, ist ADHD unter den neuronalen Entwicklungsstörungen (neurodevelopmental disorders) aufgeführt. Die Verhaltensmuster Unaufmerksamkeit und Hyperaktivität-Impulsivität sind laut DSM-5 für die Störung typisch.
  • ICD-10-Kriterien für ADHS: In der ICD-10, der medizinischen Klassifikationsliste der WHO, wird ADHS als zur Gruppe der hyperkinetischen Störungen (F90) gehörend aufgefasst. Die Kategorie F90 wiederum ist Teil der sogenannten Verhaltens- und emotionalen Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend. Damit die Diagnose ADHS gestellt werden kann, müssen bei der betroffenen Person beeinträchtigte Aufmerksamkeit, Überaktivität und Impulsivität vorliegen.

Klassifikationssysteme erwähnen fehlende Aufmerksamkeit, Überaktivität und Impulsivität als Kriterien für ADHS bzw. ADHD. Allerdings treten die Kriterien der Überaktivität und Impulsivität im DSM-5 nicht separat auf.

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Klinische Ausprägungen von ADHD und ADHS

Verschiedene Merkmale zeigen sich bei ADHS- bzw. ADHS-Patienten. Dazu gehören ein Aufmerksamkeitsdefizit, Hyperaktivität oder Impulsivität.

Aufmerksamkeitsdefizit

Die betroffene Person

  • hat Schwierigkeiten, auf Details zu achten und begeht oft Flüchtigkeitsfehler
  • kann sich nicht über eine längere Zeitspanne hinweg auf eine bestimmte Tätigkeit konzentrieren
  • reagiert oft nicht, wenn man sie direkt anspricht
  • hat Mühe, Anweisungen zu folgen und Aufgaben zu vollenden
  • vermeidet Aufgaben, die eine längere geistige Anstrengung erforderlich machen
  • hat Mühe mit organisatorischen Aufgaben
  • verliert oft Materialien
  • wird oft und schnell von äußerlichen Reizen abgelenkt
  • vergisst leicht wichtige Aufgaben

Hyperaktivität

Obwohl Hyperaktivität zu den Kernsymptomen der Störung zählt, gibt es auch ADHS-Ausprägungen der, bei denen sie keine Rolle spielt. Gerade im Kindesalter ist Hyperaktivität im Zusammenhang mit ADHS typisch: Betroffene Kinder zappeln herum, können nicht still sitzen und stören im Unterricht. Bei Erwachsenen wendet sich Hyperaktivität nach innen und äußert sich als Ineffizienz bei der Arbeit und Unruhe bei Konferenzen.

Impulsivität

Genau wie das Symptom Hyperaktivität ist auch Impulsivität eines der Kernsymptome bei ADHS. Ist dieses Symptom bei Kindern und Jugendlichen noch sehr stark ausgeprägt, bekommen es die meisten Erwachsenen mit der Zeit besser in den Griff und lernen, mit ihrem überschäumenden Temperament umzugehen.

Als Folge ihrer Impulsivität handeln Betroffene oft unüberlegt und neigen zu – mitunter heftigen – Wutausbrüchen. Im Straßenverkehr ebenso wie in Situationen, in denen Warten erforderlich ist, können sich Betroffene kaum beherrschen: Sie überholen, rasen und drängeln.

Subtypen von ADHD und ADHS

Die inattentive Präsentationsform (ADHD-I) zeichnet sich durch Konzentrationsschwierigkeiten und Unaufmerksamkeit aus, wobei Hyperaktivität als Symptom weitgehend fehlt. Die betroffenen Personen sind in der Regel Träumer und legen eine deutliche Abneigung gegenüber lauten Gruppensituationen an den Tag. Im Gegensatz zu anderen Präsentationsformen von ADHS fallen Betroffene viel seltener durch externalisierende Symptome wie Aggressionen oder Trotzverhalten auf. Dieser ADHS-Subtyp wird auch als ADS bezeichnet.

Hyperaktiver/impulsiver Subtyp (ADHD-HI)

Beim Subtyp ADHD-HI haben Betroffene in der Regel nicht mit Unaufmerksamkeit zu kämpfen, legen dafür jedoch ein stark impulsives Verhalten an den Tag. Soziale Interaktionen werden zum Problem, da die Gefühle anderer kaum berücksichtigt werden. Betroffene reagieren überschießend und verlieren schnell die Kontrolle über ihr Verhalten. Der reine ADHD-HI-Subtyp wird gewöhnlich bis zum siebten Lebensjahr festgestellt, ausnahmsweise kann die Präsentationsform bis zum 15. Lebensjahr andauern.

Kombinierter Subtyp (ADHD-C)

Der kombinierte Subtyp ADHD-C stellt eine Mischung aus ADHD-I und ADHD-HI dar. Bei diesem Mischtyp treten alle drei Kernsymptome auf.

Einflussfaktoren auf die Ausprägungen von ADHD und ADHS

Nicht en einziges Gen, sondern ein Zusammenspiel verschiedener Gene erhöht die Wahrscheinlichkeit für ADHS. Mittlerweile geht man in der Forschung von einer erblichen Veranlagung für ADHS aus. Das Risiko für ADHS ist doppelt bis achtmal höher, wenn bereits enge Verwandte an der Störung leiden.

Bei Betroffenen konnten Veränderungen im Gehirn festgestellt werden, beispielsweise an den Leitungsbahnen der Nervenfasern. Auch ist das Gehirnvolumen bei Betroffenen im Regelfall geringer. Außerdem konnte eine Beeinträchtigung der Weiterleitung von Signalen durch Neurotransmitter beobachtet werden.

Tabak, Blei und polychlorierte Biphenyle (BCP) erhöhen das Risiko für ADHS. Oftmals werden auch belastende Familienverhältnisse als eine Ursache für ADHS genannt. Als allgemeine Risikofaktoren gelten ein geringes Geburtsgewicht, Komplikationen bei der Schwangerschaft und Geburt, Infektionen sowie eine Schilddrüsenunterfunktionen bei der Mutter während der Schwangerschaft.

Auswirkungen der unterschiedlichen Ausprägungen auf den Alltag

ADHS-Betroffenen fällt es schwer, sich zu konzentrieren. Deshalb haben Kinder mit ADHS in der Schule Schwierigkeiten, dem Unterricht zu folgen. Schlechte schulische Leistungen sorgen dafür, dass viele Betroffene sich im akademischen Bereich nicht voll entfalten können. Die Leistungen entsprechen dann oft nicht der eigentlichen Intelligenz der Betroffenen.

Bei ADHS kommt es zu häufigen Konflikten in Freundschaften oder Beziehungen. ADHS-Betroffene sind aufbrausend und können ihre Mitmenschen schnell durch unüberlegte Worte oder drastische Handlungen verletzen. Aich Stimmungsschwankungen kommen häufig vor.

Betroffene Personen tun sich schwer damit, sich im Beruf anzupassen und Anweisungen zu folgen. Es kommt zu Konflikten mit Vorgesetzten und Kollegen, was die Arbeitsleistung beeinträchtigt.

Behandlungsmöglichkeiten und Interventionen

Methylphenidat (Ritalin) ist das bekannteste Medikament im Kampf gegen ADHS. Aufgrund der beträchtlichen Nebenwirkungen greifen mittlerweile immer mehr betroffene zu Alternativen wie Guanfacin, Atomoxetin, Bupropion und trizyklische Antidepressiva. Im Rahmen einer kognitiven Therapie erwerben Betroffene notwendige Fähigkeiten, um mit der Störung fertigzuwerden.

In der Schule oder auch im Beruf können ADHS-Betroffenen besondere Privilegien eingeräumt werden, die ihnen den Alltag erleichtern sollen. In der Schule gibt es den sogenannten Nachteilsausgleich, in dessen Rahmen betroffenen Schülern beispielsweise mehr Zeit für Klausuren eingeräumt wird.

Forschung und aktuelle Entwicklungen

Mittlerweile gilt als gesichert, dass es sich bei ADHS um eine weitgehend erblich bedingte Störung handelt. Ist ein Elternteil von ADHS betroffen, liegt die Wahrscheinlichkeit, dass auch das Kind an der Störung leidet bei 20 bis 30 %. Sind beide Elternteil betroffen, steigt die Wahrscheinlichkeit auf 80 bis 90 %.

Ein neuartiges psychometrisches Testverfahren erlaubt die relativ sichere Diagnose von ADHS im Alter zwischen sechs und zwölf Jahren. Das Testverfahren umfasst subjektive Berichte von Eltern und Lehrern ebenso wie computerbasierte Ergebnisse.

Mittlerweile gibt es Behandlungsansätze, die der Störung mit einer angepassten Ernährung entgegenzuwirken versuchen. In Deutschland wird gerade die transkranielle elektrische Neurostimulation getestet. Bei diesem innovativen Verfahren sollen durch sanfte elektrische Ströme diejenigen Hirnareale aktiviert werden, die bei ADHS-Betroffenen gestört sind.

Fazit

ADHS/ADHD ist eine Störung der neuronalen Entwicklung, die mit einem Mangel an Konzentrationsfähigkeit, Hyperaktivität und hoher Impulsivität einhergeht. Man unterscheidet drei Subtypen mit unterschiedlicher Ausprägung. ADHS beginnt im Kindes- und Jugendalter und bleibt auch im weiteren Leben bestehen. Dabei verschwindet die Hyperaktivität zumindest teilweise von der Bildfläche. ADHS kann zwar nicht geheilt, dafür aber sehr gut behandelt werden. Zum Einsatz kommen Medikamente mit einer komplementären kognitiven Therapie, die es Betroffenen erlaubt, im Alltag mit den Symptomen der Störung zurechtzukommen.