Was ist Neurofeedback?
Beim Neurofeedback werden Gehirnstromkurven in Echtzeit auf einem Computerbildschirm dargestellt. Die Daten werden 50 Mal pro Sekunde gemessen. Dies funktioniert durch ein EEG-Signal, welches durch einen Verstärker an den Computer geleitet wird. Dieser zerlegt die EEG-Wellen in ihre Frequenzanteile und ermittelt so die Frequenzverteilung im Quantitativen EEG. Diese Verteilung ist abhängig vom Aufmerksamkeits- oder Bewusstseinszustand.
So ist es möglich, physiologische Vorgänge im Gehirn sichtbar zu machen. Nun wird bestimmt, welches die Ursache für die eventuelle Fehlregulation der Gehirnströme ist. Dies geschieht, indem der Befund mit einem „normal“ arbeitenden Gehirn verglichen wird. Wie ein durchschnittliches Gehirn arbeitet, wird einer Datenbank entnommen. Jetzt wird ersichtlich, ob es sich um eine Überstimulation, Unterstimulation, mangelnde Hemmung oder Instabilität handelt. In diese vier Kategorien werden „gestörte“ Gehirnmuster grob eingeteilt.
Stimulation via EEG-Wellen
Die Konditionierung funktioniert, indem das Belohnungszentrum aktiviert wird, wenn die EEG-Wellen eine gewünschte Zusammensetzung aufweisen. Frequenzbereiche, die allgemein als vorteilhaft gelten, sind Beta und SMR (Sensomotorischer Rhythmus). Als weniger vorteilhaft sind niedrige Thetawellen und hohe Betawellen bekannt. Das bedeutet, verringern sich die unvorteilhaften Wellen, wird belohnt. Genauso dann, wenn die vorteilhaften Wellen ansteigen. Jedoch wird beim Neurofeedback jedes Gehirn sehr genau analysiert und individuell behandelt.
Biofeedback
Neurofeedback ist eine Richtung des Biofeedbacks, welches sich auf alle Muskeln des Körpers bezieht. Beim Biofeedback lernt der Patient, eine bestimmte Körperfunktion besser wahrzunehmen und zu steuern. Das Zielorgan beim Neurofeedback ist das Gehirn. Da der Körper keine Rezeptoren für Gehirnaktivität besitzt, wie bei anderen Muskeln, kann der Mensch sie nicht wahrnehmen. Deshalb werden mit einem speziellen Computerprogramm die Aktivitäten sichtbar gemacht. Durchschnittlich werden 20-40 Sitzungen nötig, um nachhaltig etwas zu verändern. Dieser Behandlungsform wurde 2016 die höchste Wirksamkeitsstufe bescheinigt.
Sie wurde in den 1960er Jahren von der NASA an der Universität Los Angeles entdeckt und wird seitdem ständig weiterentwickelt. Der größte Vorteil von Neurofeedback ist, dass es keinerlei Nebenwirkungen gibt und es schmerzfrei ist. Da die Anwendung dieses Verfahrens noch sehr neu ist, werden noch viele Daten benötigt und gesammelt. Die Grundlagen werden allerdings schon seit ungefähr 100 Jahren erforscht.
So hilft es ADHS Betroffenen
Ein großer Vorteil von Neurofeedback ist, dass nicht nur die Symptome, sondern auch die Ursachen für die Schwierigkeiten behandelt werden. Medikamente lindern nur die Symptome der Störung. Studien zeigen, dass Konzentrationsschwächen und Aufmerksamkeitsprobleme nachhaltig verbessert werden. Die normalerweise willkürlichen Aktivitäten des Gehirns endlich beeinflussen zu können, ist für Betroffene meist ein ganz neues und sehr positives Erlebnis. Die nötigen Bewegungsabläufe im Gehirn, um aufmerksam oder entspannt zu sein, werden trainiert und automatisiert.
Das ist vergleichbar mit dem Erlernen einer neuen Sportart und ihrer Bewegungsabläufe oder Radfahren lernen als Kind. Bestimmte Schwellenwerte, die je nach Patient, über- oder unterschritten werden sollen, werden während der Behandlung ständig angepasst. Die bei ADHS am häufigsten angewandte Methode nennt sich Frequenzbandtraining.
Schnellere Hirnfrequenzen aktivieren
Die Therapie orientiert sich an den individuellen Beschwerden des Patienten. Bei ADHS liegt eine Untererregung des Gehirns vor. Im Vergleich zu nicht Betroffenen, zeigt sich bei ihnen ein höherer Anteil langsamer Frequenzen. Das heißt, bei Menschen mit ADHS kommunizieren Nervenzellen verlangsamt, wodurch es zur verringerten Aufmerksamkeit kommt. Während der Therapie wird dementsprechend dem Gehirn beigebracht, schnellere Hirnfrequenzen zu aktivieren.
Gehirnareale trainieren
Der zweite Punkt, wie Neurofeedback ADHS leicht beeinflussen werden kann, sind die langsamen Bereitschaftspotenziale. Das ist der Gehirnzustand, der uns dafür bereit macht, sofort zu handeln. Das ist die so genannte „Habachtstellung“. Beispielsweise, wenn Sie an der roten Ampel warten und jederzeit bereit sind, bei Grün loszufahren. ADHS Betroffene haben Probleme damit, ihr Gehirn in diesen Zustand zu versetzen und vor allem zu halten. Das Aktivieren, Halten und Deaktivieren dieser Gehirnareale wird beim Neurofeedback trainiert. Auch auf die Hyperaktivität hat die Therapie eine positive Wirkung, da der Patient lernt, seine Impulse besser zu kontrollieren.
Alternative Therapie
Früher oder später ist der Betroffene in der Lage, diesen Zustand ganz ohne Hilfsmittel im Alltag zu erreichen. Dazu genügt es meist, sich den Computerbildschirm aus dem Training anzuschauen und später nur noch vorzustellen. Diese Erfahrung der Selbstwirksamkeit im Alltag ist ein großes Erfolgserlebnis. Das ist ein weiterer großer Vorteil des Verfahrens, denn der Lerneffekt bewirkt eine echte Veränderung im Gehirn. Studien zufolge, ist Neurofeedback genauso effektiv wie Medikamente und sogar effektiver als Verhaltenstherapien.
Inwiefern ist es hilfreich, die eigene Gehirnaktivität zu sehen?
Durch Rückmeldung des eigenen Hirnstrommusters erreicht man eine bessere Selbstregulation. Das Feedback basiert auf dem Prinzip der operanten Konditionierung. Das ist ein Lernprozess, in dem ein bestimmtes Verhalten verstärkt werden soll. In diesem Fall wäre das zu verstärkende Verhalten, dass der Patient es schafft, die bestimmten Gehirnareale so zu aktivieren, wie es erwünscht ist. Dies passiert völlig unbewusst und ohne Anstrengung.
Filme und Virtual Reality
Erwachsenen wird beispielsweise einen Film gezeigt, welcher bei unerwünschten Gehirnwellen dunkel oder verschwommen ist. Umso näher die Wellen an das Optimum herankommen, desto besser ist der Film zu erkennen. Dies kann noch mit Anpassen der Lautstärke unterstützt werden. Mittlerweile wird oft mit Virtual Reality Umgebungen gearbeitet.
Spielerische Selbstregulation
Für Kinder werden Computerspiele als Feedback-Instrument genutzt. Beispielsweise kann dort ein Objekt auf dem Bildschirm bewegt werden. Das Kind darf ein Fahrzeug steuern, wie zum Beispiel Allradtraktoren oder Eisenbahnen. Diese bewegen sich, sobald die erwünschten Gehirnareale aktiviert wurden. Oder bei hoher Aufmerksamkeit, schießt das Kind bei einem Fußballspiel ein Tor, während der Ball bei wenig Konzentration daneben geht. Es ist wichtig, dass die Kinder bei der Therapie aktiv mitarbeiten und ihre Eltern sie beim Anwenden der erlernten Selbstregulations-Strategien im Alltag unterstützen. So kann Neurofeedback ADHS in jedem Alter einfacher machen.
Sensibilisierung
Nach dem Prinzip „Versuch und Irrtum“ entsteht nach gewisser Zeit ein Gefühl dafür, wie man Gehirnaktivitäten steuern kann. Diese Vorgänge werden mit der Zeit verinnerlicht. So lernt man beispielsweise, wie man sich verhalten muss, um einen entspannten oder konzentrierten Zustand zu erreichen.
Für wen eignet sich Neurofeedback?
Die Anwendungsgebiete des Neurofeedbacks sind sehr vielseitig. In der Medizin wird es angewandt bei
- Angststörungen
- ADS/ADHS
- Autismus
- Depressionen
- Epilepsie
- Tourette-Syndrom/Tic-Störungen
- Sucht
- Schlaganfällen
- Schlafproblemen
- Schizophrenie
- Migräne und Kopfschmerzen
- Lernstörungen, zum Beispiel Dyskalkulie und Dyslexie
Präventiv kann es zur Stressbewältigung, Steigerung der psychischen Widerstandsfähigkeit oder für einen fitten Kopf im Alter genutzt werden. Zudem kann es auch bei der Kindererziehung hilfreich sein, beispielsweise zur Schulleistungssteigerung oder als Ausgleich für Instabilität in der Jugend. Sogar Sportler und Musiker nutzen Neurofeedback, um Zielgenauigkeit zu trainieren oder ihre künstlerische Performance zu verbessern. Vor allem in Zielsportarten, wie Golf, ist das Verfahren sehr hilfreich.
Wer führt Neurofeedback durch?
Ärzte, Psychiater, Psychotherapeuten, Psychologen und Ergotherapeuten bieten Neurofeedback als Baustein einer meist multimodalen Behandlung an. Dem muss immer eine gründliche Anamnese und Diagnose vorausgehen. Am häufigsten arbeiten Ergotherapiepraxen mit Neurofeedback. Jeder Arzt oder Psychiater darf eine psychisch-funktionelle Behandlung oder eine sensomotorisch-perzeptive Behandlung verschreiben. Diese beinhalten unter anderem Neurofeedback.