Nach aktuellen Schätzungen sind in Deutschland 4,5 Prozent der Erwachsenen von der Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktaktivitätsstörung (ADHS) betroffen. Das Krankheitsbild zeichnet sich bei Erwachsenen insbesondere durch Vergesslichkeit, innere Unruhe und Unkonzentriertheit aus. Auch Symptome wie impulsives Verhalten, überstürzte Handlungen und Schwierigkeiten bei Planung und Organisation können vorhanden sein. Für Betroffene können sich durch ADHS erhebliche Einschränkungen in Alltag, Beruf und Privatleben ergeben.
Die Diagnose wird im Erwachsenenalter verhältnismäßig selten gestellt, da die Symptome der Erkrankung häufig bereits lange Zeit bestehen und von der Umwelt und den Betroffenen selbst als Teil der Persönlichkeit wahrgenommen werden. Häufig arbeiten Menschen mit ADHS über viele Jahre erfolgreich in ihrem Beruf. Kommt es zu einer Lebenskrise, ausgelöst durch unterschiedliche äußere oder innere Einflüsse, brechen bei den Betroffenen manchmal Folgeerkrankungen wie Depressionen und Angststörungen aus. Diese Erkrankungen können Folge einer bis dahin unentdeckten ADHS sein. Häufig wird an diesem Punkt die Arbeitsfähigkeit in Frage gestellt.
Wenn Sie von ADHS betroffen sind und sich Gedanken darüber machen, inwiefern ADHS den Arbeitsalltag beeinträchtigt und ob ADHS arbeitsunfähig machen kann, finden Sie in diesem Beitrag geeignete Informationen, die Ihnen weiterhelfen.
Inwiefern beeinträchtigt ADHS den Arbeitsalltag?
Die Erkrankung wirkt sich häufig auf den Arbeitsalltag von Betroffenen aus. Die Auswirkungen sind aber nicht ausschließlich negativ, sondern sie können auch positiv sein.
Negative Auswirkungen von ADHS auf den Arbeitsalltag:
- Schwierigkeiten bei der Organisation: Mangelnde Ausdauer, Verspätung oder Unordnung sorgen für Schwierigkeiten im beruflichen Alltag.
- Begleiterkrankungen: Häufige Begleiterkrankungen von ADHS sind Depressionen, Ängste, Suchterkrankungen oder Persönlichkeitsstörungen. Diese schränken Betroffene in ihrer Gesundheit und den beruflichen Verpflichtungen stark ein.
- Aufmerksamkeitsstörung: Aufgrund von Konzentrationsschwierigkeiten vergessen Betroffene Aufgaben häufig oder erledigen diese nur teilweise. Dieses Aufmerksamkeitsdefizit führt zu Einschränkungen bei der Arbeitsleistung.
- Impulsivität: Menschen mit ADHS reagieren häufig sehr impulsiv und treffen spontane Entscheidungen. Sie haben Schwierigkeiten in der Regulation ihres Verhaltens oder ihrer Gefühle.
- Überaktivität: Betroffene haben häufig Schwierigkeiten, längere Zeit still zu sitzen. Ein starker Rededrang und innere Unruhe verursachen häufig einen Leidensdruck.
- Niedrige Stress- und Frustrationstoleranz: Neue Aufgaben verursachen bei Betroffenen häufig viel Stress, der kaum bewältigt werden kann. Sie reagieren häufig gereizt und wütend, wenn Dinge nicht so funktionieren wie erhofft.
Positive Auswirkungen von ADHS auf den Arbeitsalltag:
- Ausdauer: Wenn sich Betroffene für ein Themengebiet sehr interessieren, sind sie dazu in der Lage, sich sehr ausdauernd auf dieses Thema zu fokussieren.
- Ideenreichtum: Betroffene haben häufig eine rege Fantasie und viele Ideen, die sich positiv in den Arbeitsalltag einbringen lassen.
- Engagement: Menschen mit ADHS können außerordentlich engagiert sein, wenn sie in einem Themenbereich eingesetzt werden, der sie persönlich interessiert.
Für Betroffene ist es wichtig, dass sie sich ihre Stärken und Schwächen im Bezug auf das Arbeitsleben bewusst machen und lernen, mit diesen umzugehen. Hier kann es hilfreich sein, mit dem Vorgesetzten und den ArbeitskollegInnen in den Austausch zu gehen und das zu bearbeitende Themengebiet klar zu definieren, um eine hohe Arbeitsbelastung zu vermeiden. Insbesondere die Ressourcen von ADHS-Betroffenen lassen sich positiv in den Arbeitsalltag integrieren, wenn die geeigneten Arbeitsbedingungen hierfür geschaffen wurden.
Motivation
Motivation wird unterschieden in eine intrinsische und extrinsische Motivation. Intrinsische Motivation bedeutet, dass die Motivation aus eigenem innerem Antrieb erfolgt und extrinsische Motivation bedeutet, dass äußere Reize vorliegen müssen, damit eine Person motiviert ist. Intrinsische Motivation entsteht beispielsweise durch eigenes Interesse, Freude und Neugier oder innere Werte. Extrinsische Motivation entsteht beispielsweise durch Belohnungen, Strafen oder Zwänge.
Hohe Motivation bei Eigeninteresse
Gegenüber Nichtbetroffenen ist die Motivation von ADHS-Betroffenen in verschiedenen Punkten abweichend. Die Motivation an sich ist nicht gestört, sondern anders reguliert als bei gesunden Menschen. Untersuchungen haben ergeben, dass die extrinsische Motivation bei Betroffenen abgeschwächt sein kann. Dies bedeutet, dass Menschen mit ADHS häufig stärkere äußere Reize zur Motivation benötigen als Nichtbetroffene. Handeln ADHS-Betroffene aus einer intrinsischen Motivation heraus, beispielsweise weil ein Thema sie besonders interessiert und Ihnen Freude bereitet, so können diese Menschen außerordentlich fokussiert sein und Höchstleistungen erbringen.
Im Umkehrschluss ist es für Betroffene ratsam, einen Beruf auszuwählen, der sie sehr interessiert. Somit ist eine hohe intrinsische Motivation gegeben und die Defizite, die die Erkrankung mit sich bringt, rücken in den Hintergrund. Unter diesen Voraussetzungen können ADHS-Betroffene herausragende Mitarbeiter sein.
Sozialverhalten
ADHS kann auch zu Schwierigkeiten im Sozialleben führen, da das Verhalten von Betroffenen für Mitmenschen häufig nicht nachvollziehbar ist. Aufgrund ihrer Impulsivität haben einige Betroffene Schwierigkeiten, sich an Regeln zu halten und gesellschaftliche Normen anzuerkennen. Auch Grenzüberschreitungen gegenüber anderen Menschen können vorkommen. Einige ADHS-Betroffene fühlen sich durch ihre Erkrankung sehr beeinträchtigt und neigen zur Isolation.
Im Arbeitsalltag können vermehrt Konflikte mit Vorgesetzten und KollegInnen auftreten, wenn beispielsweise Termine versäumt werden oder Arbeitsaufgaben nicht wie angefordert erledigt werden können.
Wenn Sie mit ihrer Erkrankung offen umgehen möchten, kann es hilfreich sein, das Gespräch mit KollegInnen zu suchen und eigene Schwierigkeiten und Bedürfnisse zu kommunizieren.
Kann man sich wegen ADHS krankmelden?
Fühlen Sie sich durch die Symptomatik der Erkrankung in Ihrer Gesundheit und Leistungsfähigkeit so stark beeinträchtigt, dass Sie nicht dazu in der Lage sind, Ihrer Arbeitstätigkeit nachzugehen, haben Sie die Möglichkeit, sich krank zu melden. Dies haben Sie Ihrem Arbeitgeber unverzüglich mitzuteilen. Dauert Ihre Erkrankung länger als drei Tage an, müssen Sie eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegen.
Diese stellt ihr behandelnder Arzt aus. Sind Sie länger als sechs Wochen arbeitsunfähig erkrankt, endet die Lohnfortzahlung und sie erhalten Krankengeld von Ihrer Krankenkasse. Sollten Sie in Sorge sein, wegen ADHS arbeitsunfähig zu werden, ist es empfehlenswert, dass Sie sich Unterstützung bei fachkundigen Ärzten suchen. Die Erkrankung ist mit entsprechenden Hilfsmaßnahmen heutzutage gut behandelbar.
Betriebliche Eingliederung
Sind Sie eine längere Zeit wegen ADHS oder einer Begleiterkrankung ausgefallen, können Sie an Ihrem Arbeitsplatz das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) in Anspruch nehmen. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, dies allen Beschäftigten anzubieten, die innerhalb eines Arbeitsjahres länger als sechs Wochen arbeitsunfähig erkrankt waren. Das BEM dient dazu, gemeinsam mit ihrem Arbeitgeber geeignete Maßnahmen zu finden, um Ihren Arbeitsplatz zu sichern.
Eine stufenweise Wiedereingliederung ist empfehlenswert, um sich wieder schrittweise an die Arbeitsbelastung gewöhnen zu können. In Absprache mit ihrem behandelnden Arzt können Sie einen Wiedereingliederungsplan erstellen, der es Ihnen ermöglicht, die Arbeitszeit wöchentlich stundenweise zu steigern. Der Plan erstreckt sich meistens auf eine Zeit von vier bis acht Wochen. Während dieser Zeit besteht weiterhin Arbeitsunfähigkeit und Sie beziehen Krankengeld.
Darauf sollten Sie als ADHS-Betroffener achten
Betroffene Menschen sollten in einem besonderen Maß auf ihre Gesundheit achten, um dauerhaft einen Umgang mit der Erkrankung zu erlernen.
Empfehlungen für ein gesundes Leben mit ADHS
- Therapie: Fühlen Sie sich in ihrem Alltag oder Beruf durch ADHS oder eine begleitende chronische Erkrankung beeinträchtigt, ist es empfehlenswert, eine Psychotherapie zu beginnen. Diese kann Sie seelisch entlasten und stärken. Informationen über eine geeignete Therapieform erhalten Sie bei Ihrer Krankenkasse.
- Medizinische Rehabilitation: Es gibt spezielle Kliniken, die ihren Schwerpunkt auf die Behandlung von ADHS gelegt haben. Die Reha dient dazu, Ihre Erwerbstätigkeit zu erhalten. Eine medizinische Rehabilitation wird in der Regel durch die Deutsche Rentenversicherung finanziert.
- Medikamente: Ein Facharzt kann Ihnen Medikamente verschreiben, um die Symptome der Erkrankung zu lindern.
- Körper: Achten Sie auf Ihren Körper und dessen Bedürfnisse und sorgen Sie für ausreichend Entspannung.
- Ernährung: Unterstützen Sie ihr Wohlbefinden mit einer ausgewogenen und nährstoffreichen Ernährung. Vermeiden Sie es, sich diesbezüglich unter Druck zu setzen. Wenn Sie es nicht schaffen, frisches Essen selbst zubereiten, können Sie auch auf fertig zubereitete Menüboxen vom Lieferservice zurückgreifen.
- Pausen: Bauen Sie regelmäßige Pausen zur Erholung ein. Die Mittagspause auf der Arbeit können Sie beispielsweise für einen Spaziergang nutzen, um neue Kraft zu tanken.
- Unterstützung: Lernen Sie, Verantwortung abzugeben und sich zu entlasten. Im Arbeitsalltag kann es hilfreich sein, die Unterstützung von KollegInnen aktiv einzufordern.
- Feedback: Suchen Sie regelmäßig ein Gespräch mit Ihrem Vorgesetzten, um sich über die aktuelle Arbeitsbelastung und Anforderungen auszutauschen.
Fazit
ADHS und die begleitenden Erkrankungen können vorübergehende Arbeitsunfähigkeit auslösen. Grundsätzlich ist ADHS aber kein Grund für eine dauerhafte Erwerbsfähigkeit. Menschen mit ADHS können einen geeigneten Beruf finden, in dem sie ihre Ressourcen wertvoll einsetzen können. Das besondere Engagement, das Menschen mit ADHS für gewisse Tätigkeiten aufbringen können, kann sie sogar zu außerordentlichen Leistungen führen.
Wichtig ist, dass Betroffene mit Unterstützung lernen, auf eigene Belastungsgrenzen zu achten und Stress zu reduzieren.